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Khwai si Dam
Das Geschenk
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Flug 327

 

Das Geschenk

 

1. Der Geist des Vulkans

 

 

 

 

Fast hatten wir es geschafft. Noch gut 100 Meter dann war der Kraterrand erreicht. Seit wir den Urwald verlassen hatten war etwa eine Stunde vergangen. Ok, wir waren langsam gestiegen, der

Weg war auch nicht sehr steil, nur dass man bei jedem Schritt einen halben

wieder abwärts rutschte in dem

losen Bims und der Asche Das war lästig, machte den Berg einfach höher als er in Wirklichkeit war. Die ganze Zeit über hörten wir im Dreiminutentakt das Grollen des Vulkans und sahen Lavafontänen in den Himmel schießen. Klar, es war ein aktiver Vulkan und er erinnerte uns perma­nent daran. Eine gewisse Anspannung und Nervosität konnte ich nicht verbergen. Es war keine Angst dabei, nur Aufregung und Neugier auf das was gleich zu er­leben sein würde.

Ein Stück von uns entfernt sahen wir die zwei Jeeps stehen, die mit acht Touristen bis fast ganz rauf gefah­ren waren. Die standen schon am Kraterrand und schauten hinab in den Kessel. Gleich würden wir auch da sein. Es war später Nachmittag und wir hatten, wie fast alle Besucher, die Absicht, bis zum Hereinbrechen der Dunkelheit oben zu verweilen. Erst dann käme man in den vollen Genuss dieses Naturphänomens. So hatte ich gelesen und so hatte es mir auch mein Führer, Häuptling Joshua, bestätigt. Nein, ich wollte nicht fah­ren, hatte ich ihm ja gleich erklärt. Ich wollte diesen Berg zu Fuß besteigen hatte ich gesagt. Joshua hatte sich bereit erklärt mit mir zu gehen. Er begrüßte mein Vorhaben sogar. Er sagte, er würde es am liebsten ganz verbieten, dass man den Vulkan mit dem Auto befährt. Aber, es bringt halt Geld unter die Leute, und das haben die dringend nötig.

Das ist noch nicht einmal das größte Problem“, sagte er.

Nur die Touristen fangen neuerdings an irgendwel­che Sachen in den Krater zu werfen, Kanister mit che­mischen Sachen die die Flammen noch besser und far­biger leuchten lassen. Das wird sich unser Vulkan nicht gefallen lassen. Irgendwann wird er zurück schlagen.“

Dann rief er mir etwas zu und winkte mit der rechten Hand;

Da rechts hoch, das ist ein besserer Platz. Da haben wir den Wind im Rücken. Stinkt nicht so stark und verirrte Lavabrocken fallen seltener auf uns,“ grinste er.

Außerdem stört uns das Geschrei der anderen nicht. Sind Amerikaner und da kreischen die Frauen meist hysterisch.“

Und dann standen auch wir am Kraterrand. Vor uns gähnte der Abgrund und tief unten leuchtete ein orangefarbener See. Dampf stieg auf. Es war ein wah­rer Höllenschlund. Obwohl im Augenblick ganz fried­lich. Das änderte sich schlagartig. Fast ohne Ankündi­gung schoss aus einer Blase eine Lavafontäne in den Himmel, begleitet von einem infernalischen Lärm. Die glühenden Lavasteine bildeten einen Fächer am Him­mel, fielen dann im Bogen auf der anderen Seite des Kraters herunter und erloschen. Joshua hatte Recht, das Kreischen der Amerikanerinnen war noch bis hierher zu hören.

Wenn sie heiser sind hören sie von selbst auf,“ sagte Joshua,

ist immer so.“

Ich setze mich staunend. Diese Schauspiel alleine hatte die weite Reise schon gelohnt.

Du bist doch schon viele hundert Mal hier oben gewesen,“ wandte ich mich an meinen Führer,

ist das nicht ziemlich langweilig für dich?“

Nein, es ist immer wieder erregend und, wie ich dir ja erzählt habe ist es für uns, die wir hier leben, ein heili­ger Berg. Hier wohnt der große Geist der unser Volk beschützt. Deshalb ist es für mich, wie gesagt, so etwas wie ein Gottesdienst.“

Mittlerweile war die Sonne untergegangen. Und wie es in den Tropen so ist, kurze Zeit später war es stockfins­ter. Nur die regelmäßigen Feuerstöße erleuchteten die Umgebung. Wie Joshua vorausgesagt hatte waren die Amerikaner schweigsam geworden. Nur ihre Taschen­lampen sahen wir blinken. Mengen an Foto- und Film­aufnahmen hatte ich gemacht. Mir schien, dass die letz­ten Eruptionen stärker waren als die vorherigen. Konnte aber auch Einbildung sein. Es war alles so überirdisch hier oben.

Plötzlich veränderte sich der Ton der Ausbrüche. Es klang nicht nur lauter sondern auch, man kann fast sagen bösartiger. Oder bissiger. Joshua erstarrte. Ich konnte es im Schein des letzten Ausbruchs deutlich sehen. Einen Augenblick zögerte er, dann packte er meine Hand und sagte:

Let´s go, the ghost get`s angry.“

Dann machte er ein paar Schritte den Hang hinab, blieb stehen und rief den Touristen und den beiden Fahrern etwas zu was ich nicht verstehen konnte. Aber die riefen etwas zurück und blieben weiterhin auf dem Kraterrand stehen. Winkten fröhlich mit ih­ren Taschenlampen.

Dann eben nicht,“ sagte Joshua,

die sind alt genug und wissen was sie tun müssen.“

Damit zog er mich mit sich und wir rannten den Ab­hang hinab, leuchteten mit den Lampen voraus so gut es eben ging.

Quick, quick,“ setzte er noch hinzu.

Er nahm auch nicht den Weg sondern stürzte förmlich den Abhang hinunter. Schon das beunruhigte mich. Ich hatte bisher noch nie erlebt, dass er sich schnell bewegte. Ziemte sich für einen Häuptling auch nicht.

Das Grollen wurde stärker. Ganz tief drinnen im Berg. Die Lavafontänen waren aber schwächer geworden. Irgendwann blieb ich stehen, musste verschnaufen. Als ich zurück blickte sah ich das die Touristen immer noch oben am Rand standen. Endlich waren wir am Fuß des Vulkans angekommen, rannten jetzt über die Aschenebene auf dem Urwaldsaum zu. Bis dahin und dann waren es noch etwa zwei Kilometer auf dem Ur­waldpfad bis zu unserem geparkten Jeep. Joshua hastete ohne Pause weiter.

Come, come,“ hörte ich ihn zeitweilig keuchen. Ich hatte immer noch nicht begriffen warum er von die­sem Berg flüchtete. Aber er kannte sich hier aus, hatte sein ganzes Leben hier verbracht. Er würde seinen tri­tigen Grund haben. Plötzlich wurde es hell. Wir blieben stehen und drehten uns um. Die aus dem Kra­ter aufsteigende Wolke wurde von unten angestrahlt. Eine unwirkliche Beleuchtung. Und dann schoss eine riesige Fontäne aus dem bisher so ruhigen Vulkan, be­gleitet von einem überirdischen Donner. Der ganze Bo­den vibrierte. Anscheinend hatte auch der Wind ge­dreht denn die ganze Feuersäule kippte jetzt nicht mehr nach hinten, wie bisher sondern nach vorne, da­hin wo die zwei Jeeps standen. Wir sahen einige Leute laufen, aber einen Augenblick später hatte die Lavasäule alles verschluckt und mit Rauch und Feuer verdeckt. Wir standen wie erstarrt. Da war jeder Rettungsversuch aussichtslos. Das war es was Joshua geahnt hatte. Ein heftiger Ausbruch. Aber wieso? Nur weil das Grollen etwas stärker war?

Jetzt quoll aus der Seite des Kraters ein Strom flüssiger Lava hervor und begann den Hang hinabzulaufen. Wir drehten uns um und liefen auf den Waldrand zu. Eine weitere Explosion erfolgte und glühende Lavastein fie­len nicht weit entfernt von uns zu Boden.

Weg, nichts wie weg, war mein einziger Gedanke.

Bei der dritten Feuersäule waren die Einschläge noch dichter und plötzlich zischte ein Brocken an mir vorbei und traf Joshua am Kopf. Er fiel der Länge nach hin und rührte sich nicht mehr. Einzig seine Taschenlampe leuchtete noch und wies mir den Weg. Er lag auf dem Rücken mit verdrehten Augen und einer Wunde an der Schläfe. Dort hatte ihn ein faustgroßer Stein ge­troffen. Ich tastete nach seinem Puls, konnte ihn in der Aufregung nicht finden. Versuchte es an der Hals­schlagader und war etwas beruhigt als ich den Herz­schlag fühlen konnte. Er stöhnte leicht, was ich in die­ser Situation als positiv aufnahm. Ansprechbar war er trotz meiner Bemühungen nicht. Die Wunde blutete nicht, die rechte Seite des Kopfes war aber schwarz angesengt. Es roch nach Gegrillten. Blöder Gedanke, aber er kam ganz spontan.

Ich drehte ihn auf die Seite, damit er nicht ersticken konnte.

Was tun?

Klar, Handy. Ist ja heutzutage die erste Reaktion wenn etwas Unverhofftes passiert. Welche Nummer? Die Frage erübrigte sich sogleich. Mein Handy zeigte an:

Kein Netz.“

Wieso? Oben auf dem Berg hatte es doch funktioniert. Joshua hatte von dort telefoniert, was mich sehr störte. Aber hier war eine Senke. Das Dorf war auch nicht zu sehen, nur dessen Lichterschein spiegelte sich in eini­gen Wolken. War also nichts. Tragen konnte ich ihn nicht, er war einfach zu schwer und es waren ja noch über zwei Kilometer bis zum Jeep.

Eine andere Möglichkeit wäre zum Jeep zu laufen, den bis hierher fahren und Joshua einladen. Nur im Dunkeln auf diesem holperigen Pfad? Das würde ewig dauern, bis ich den Wagen überhaupt erreicht hätte. Außerdem traute ich mich nicht ihn so lange alleine zu lassen. Obwohl ich keine Ahnung hatte was ich unternehmen konnte wenn es ihm schlechter ginge, die Atmung ausblieb. Künstliche Beatmung? Hier alleine auf dem Aschenfeld, noch dazu unter Beschuss aus dem Krater?

Wie konnte ich auf mich aufmerksam machen? Die Leute im Dorf waren natürlich im Alarmzustand. Der Vulkanausbruch war nicht zu überhören. Die Dorfbe­wohner würden sicher auch nach uns und den Touris­ten suchen. Jeder wusste, dass wir unterwegs waren. Aber wir waren nicht den üblichen Weg gefahren. Jos­hua wusste einen interessanteren, wollte mir noch et­was aus der Natur zeigen.

Feuer machen fiel mir letztlich ein. Ich muss ein großes Feuer machen. Bei unserem Weg am Nachmittag hatte ich ein Maisfeld neben dem Urwald gesehen. Joshua hatte mir gesagt dass der Mais jetzt reif für die Ernte wäre. Die Halme und Blätter waren alle strohtrocken. Die würden sicher gut brennen. Dann wäre zwar die ganze Ernte hin aber das wäre wohl kein zu hoher Preis für das Leben des Häuptlings.

Feuer, Feuerzeug! Ich hatte keines bei mir. Bin Nicht­raucher. In Joshuas Hosentasche konnte ich auch kei­nes ertasten. Ich schaute mich um. In einiger Entfer­nung sah ich am Boden etwas glimmen. Eine Lavabombe? Womöglich eine etwas größere? Dann müsste ich dort auch etwas entzünden können. Mit der Taschenlampe leuchtete ich zum Maisfeld hinüber. War nicht sehr weit. Also dort hin, einige Blätter und einen Stiel aufsammeln und dann weiter zur Lavabombe. Sie glühte immer noch ganz leicht in einigen Ritzen. Nur deshalb konnte ich sie überhaupt wieder finden. Nach etwas Stochern bildete sich Glut am Maisstengel. Etwas pusten und vorsichtig ein Maisblatt dran halten. Es klappe auf Anhieb. Nun wieder zurück zum Feld. An zwei, drei Stellen Feuer legen und schon stand das ganze Feld in hellen Flammen. Das müssten sie im Dorf auf jeden Fall se­hen. Ich hoffte das sie es richtig deuten würden. Kommen würden sie sicherlich, und wenn auch nur aus Angst um die Ernte.

Jetzt warten.

Ich bemühte mich um Joshua, schüttelte ihn, klopfte ihm auf die Wangen, rief ihn, horchte. So wie man es immer im Fernsehen sieht wenn der Notarzt kommt. Aber keine Reaktion.. Zumindest atmete er regelmä­ßig, was mich etwas beruhigte. Ich dachte weiter. Mit der Ankunft der Leute aus dem Dorf war das Problem ja nicht gelöst. Da war kein Arzt dabei. Im Dorf hatten sie eine Krankenstation. Da war eine Krankenschwes­ter die Wunden verband oder den Leuten Mittel ge­gen Magen- und Darmbeschwerden verabreichen konnte. Vielleicht auch mal ein gebrochenes Bein schienen. Aber bei größeren Problemen mussten die Patienten per Flugzeug ins Krankenhaus in der Hauptstadt gebracht werden. Das würde wohl auch hier so sein. Aber jetzt war Nacht. Das Flugzeug könnte erst am Morgen landen. Wir mussten ihn also so lange betreuen. Welche Verletzungen könnte er haben? Zumindest eine schwere Gehirnerschütterung, vielleicht war auch der Schädel gebrochen oder ange­schlagen. Wenn er aufwachte würde er sicher auch Schmerzen haben gegen die man was tun müsste. Ich hoffte nur das die Krankenschwester fit genug war und mir die Last abnahm. Vor gar nicht langer Zeit hätte man sicher den Schamanen geholt.

Die Zeit dehnte sich. Wo blieben die bloß. Ich schaute zum Vulkan. Lava quoll immer noch aus der Spalte und bewegte sich langsam aber mit erschreckender Stetigkeit abwärts, in meine Richtung. War zwar noch sehr weit entfernt und daher ungefährlich. Jetzt, aber wie lange noch? Irgendwann hörte ich ferne Motorge­räusche, die näher kamen. Dann endlich schwankende Scheinwerfer zwischen den Bäumen. Ich sprang auf und schwenke meine Taschenlampe. Die Ankommen­den reagierten sofort und blinkten mit den Scheinwer­fern. Man hatte anscheinend alle vorhandenen Fahr­zeuge in Bewegung gesetzt.

Ich zeigte nur stumm auf Joshua als sie mich erreich­ten. War auch erleichtert nun nicht mehr alleine hier zu sein, di Verantwortung zumindest teilen zu können.

Wo sind die Anderen?“, kam die befürchtete Frage.

Ich zeigte zum Berg und sagte nur;

Dead, der Vulkan hat sie sich alle geholt.“

Schweigen in der Runde.

 

Das Buch ist im Buchhandel und im Internet erhältlich unter:

ISBN 9783750420656    Softcover   224 Seiten  8,50 @  als E-Book  5,49 €